empfehlung: isang yun – concertino / duo / intermezzo / pezzo fantasioso

empfehlung: isang yun – concertino / duo / intermezzo / pezzo fantasioso

concertino / duo / intermezzo / pezzo fantasioso – isang yun

Fünf Sinfonien, fünf Opern, eine Vielzahl Orchesterwerke – der deutschkoreanische Komponist Isang Yun (1917-95) liebte die große Form und schrieb trotzdem für die Kammer. Er arbeitete traditionell für Streichquartett, besaß aber auch eine Antenne für außergewöhnliche Besetzungen. Vor allem dem Akkordeon konnte er gestalterische Elemente entlocken, was nicht zuletzt damit zu tun hatte, dass er sowohl den europäischen wie den asiatischen Klangwelten offen gegenüberstand.

Zwei Stücke der neuen CD komponierte Isang Yun von vornherein für die Besetzung mit Akkordeon. Das erste, concertina für Akkordeon und Streichquartt, entstand 1983, ein 16 Minuten langes Werk, das das Wagnis des Experiments berührt. Die Diskrepanz zwischen der Kammermusikinstrumentierung und dem eher oberflächlicher Musik zugeneigten Akkordeon erhält bei Isang Yun den Schlüssel zur Aufhebung derselben. Indem er das Akkordeon weder als Leitinstrument noch als “Anhängsel” definiert, ergeben sich rhythmische und melodiöse Strukturen, die durch enorme Dichte und starke solistische Passagen gekennzeichnet sind. Hier wird das einzelne Instrument zum virtuosen Maßstab, setzt jedes für sich vielfältige Akzente.

Auch internezzo für Violoncello und Akkordeon (1988} schrieb Yun für diese Besetzung. Es ist ein in sich verschachteltes Stück, das den Wechsel zwischen Cello und Akkordeon als leitendem Instrument benutzt, um in einer Art Dialog sich gegenseitig zu inspirieren. Wie von einer Verlockung heimgesucht gestaltete der Komponist ein farbenprächtiges Musikstück mit der vibrierenden Klangsprache des Akkordeons und den aus tiefen Oktaven auftauchenden gesangsartigen Melodiebogen. Duo (1976) und pezzo fantasioso (1988) entstanden ursprünglich für Viola und Klavier bzw. für zwei Flöten, Oboen, Klarinetten, Violinen in beliebigen Kombinationen plus einem Bassinstrument. Für duo transkribierte Akkordeonist Stefan Hussong die Klavierstimme für Akkordeon, bei pezzo fantasioso entschieden sich die Musiker für die Instrumente Violine, Akkordeon und Violoncello. In duo stehen sich die Instrumente wie Konkurrenten gegenüber, die aber keinen Kampf abliefern, sondern in ehrfurchtsvoller Absicht mal als Kommentator, mal als Antreiber fungieren. Vor allem die hohen Tonlagen bestimmen eine Komposition, die wie ein lyrisches Kaleidoskop die Feinheiten des Klangs erforscht und die zu den überzeugendsten dieser Werkauswahl zählt.

Im Fantasiestück dominiert ein ruhiger Melodiefluss, an dessen Ufern Violine und Akkordeon auf die Klippen des Violoncellos reagieren. Isang Yun dämmt immer wieder rechtzeitig die hektische Entwicklung ein und kehrt zurück zur Ruhephase des Beginns. In feinen Intervallen manifestiert sich hier die europäisch-asiatische Denkweise des Komponisten, der den zarten Klang koreanischer Folklore und die kompromisslos-sperrige neue Musik des Westens miteinander verbindet. “Meine Musik hat weder Anfang noch Ende”, sagte Isang Yun einmal. Genau das kann im pezzo fantasioso erfahren werden.

Klaus Hübner