Akkordeon glänzte durch Klangvielfalt
Wer das Akkordeon als volkstümliches Instrument, beheimatet bei Seniorennachmittagen und Wirtshaussingen, einstuft, wurde im Schüttbau eines Besseren belehrt.
Mainpost Regional, 24.01.2017
Von wegen „Schifferklavier“. Wer das Akkordeon eher als volkstümliches Instrument, beheimatet bei Seniorennachmittagen und Wirtshaussingen, einstuft, wurde im Schüttbau in Rügheim eines Besseren belehrt.
Stefan Hussong am Akkordeon und Armin Fuchs am Flügel beeindruckten mit einem spannenden Konzert von Bach bis zur Moderne. Als relativ junges Instrument kommt das Akkordeon erst seit den 1950er-Jahren in der Klassik zum Einsatz. Demzufolge sind die Kompositionen für das Konzertakkordeon in der Regel der Neuen Musik zuzuordnen.
Im Mittelpunkt der ersten Konzerthälfte stand denn auch ein halbstündiges Werk der 1968 geborenen japanischen Komponistin Keiko Harada. Das Werk „F-Fragments“ reflektiert die schreckliche Nuklearkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011.
Wimmern und pfeifen
Stefan Hussong lässt sein Instrument wimmern und pfeifen, vibrieren und knarzen, hauchen und brüllen. Eine ungeheure Klangvielfalt bringt Emotionen und Affekte zum tragischen Geschehen zum Ausdruck. Mit atemberaubender Prägnanz zeichnen Stefan Hussong und Armin Fuchs den Schrecken, den Schmerz, die Ohnmacht und nicht zuletzt auch die Hoffnung nach, die mit dem tragischen Unglück verbunden sind.
Dem Sog der musikalischen Intensität kann man sich als Zuhörer während des gesamten Konzertes kaum entziehen. Sie bannt, ergreift, dringt tief nach innen und bewegt.
Das Preludio IX von Astor Piazzolla fügte sich erstaunlich gut an die zuvor ertönte Kalligraphie der Klänge von Harada an. „Todo Buenos Aieres“ – vor der Pause entführte der große argentinische Komponist noch in das pulsierende Leben der Hauptstadt seines Heimatlandes.
Mit zeitgenössischer Musik ging es nach der Pause weiter: Teuflisch furios die moderne japanische Tarantella von Keiko Harada – „Devil Fire Tarantella“. Zart, meditativ erklang von John Cage das Stück „Dream“, wild, virtuos-wuchtig das Stück „High Way for One“ von Adriana Hölszky, beide für Akkordeon solo.
Hussong geht eine enge Verbindung mit seinem Akkordeon ein. Er atmet damit, formt Töne, gestaltet sie immer wieder aufs Neue. Komposition, Instrument und Spieler verschmelzen zu einer Einheit aus Musik.
Nicht minder virtuos, mit großer Sensibilität präsentierte Armin Fuchs bei seinem Soloauftritt zwei Etüden von Claude Debussy.
Dass sich auch Alte Musik ganz hervorragend für Akkordeon und Klavier eignet, bewiesen die exzellenten Musiker mit vier Choralvorspielen von Johann Sebastian Bach in der Bearbeitung des Ungarn György Kurtág. Frisch, akzentuiert, tröstlich – ein ungewöhnlicher, zu Herzen gehender Bach.
Als Abschluss noch einmal der Großmeister des Tango Nuevo mit „Novitango“ und „Tanguedia III“ – ein unaufhaltsamer, irrer Reigen, mitreißend, faszinierend, genial. Da will man seinen Piazzolla nie mehr anders hören.
Nachhaltiger Applaus, auch von Besuchern, die sicherlich sonst nicht mit so viel Moderne in Berührung kommen. Mit dem von Keiko Harada bearbeiteten japanischen Volkslied „Der Mond hinter dem verfallenen Schloss“ klang der beeindruckende Konzertabend aus.