keiko harada – f-fragments
Yumiko Meguri, Klavier
Stefan Hussong, Akkordeon
Wergo WER67862
In jüngster Zeit entstehen immer häufiger Kompositionen, in die das Akkordeon nicht nur integriert ist, sondern in denen es auch mit solistischen Funktionen bedacht wird. Längst hat die zeitgenössische Musik entdeckt, dass das sonst meist mit Volksmusik assoziierte Instrument sowohl facettenreiche Klangfarben als auch prägnante rhythmische Impulse beisteuern kann.
Auch die Werke der japanischen Komponistin Keiko Harada zielen auf die subtilen Klangmöglichkeiten des Akkordeons. Sowohl solistisch als auch gemeinsam mit der japanischen Pianistin Yumiko Meguri nahm der deutsche Akkordeonist Stefan Hussong zwei Zyklen von Keiko Harada auf, die alle gängigen Klangklischees des Instruments vergessen lassen. Zumal Harada im solistischen Book I und in ihrem Duo Fragments ganz bewusst Klanggesten und Ausdrucksformen verwendet, die Akkordeonistlnnen sonst eher selten abverlangt werden.
Das viersätzige Book I für Akkordeon solo (2010) ist nach Bone+ (1999) das zweite Stück, das die 1968 in Tokyo geborene und nach ihren Studien an der Tōhō-Gakuen-Musikhochschule auch bei Brian Ferneyhough ausgebildete Japanerin für Akkordeon schrieb. Und es birgt enorme technische Schwierigkeiten: gleichsam geflüsterte Passagen in vorbeihuschendem Tempo, die j edoch im schnellen Legato phrasiert werden müssen. Im zweiten der vier Stücke, Sprinkled Efforts, ist der Solist auch als Vokalperformer gefordert und muss zu abrupten Bewegungen des Balgs expressive Zischlaute ausstoBen. Und doch bleibt, dank einer wohlüberlegten Dramaturgie, auch ein Eindruck von innerer Ruhe haften, der vor allem dem zentralen dritten Satz, Anticipation, zu danken ist.
Ähnliches gilt auch für Haradas über dreißigminütiges Duo F-fragments für Akkordeon und Klavier aus dem Jahr 2012. Den getragenen Klavierakkorden des erstes Satzes Thin Leaves merkt man es zunächst gar nicht an, dass ihnen lang angehaltene, fast wie elektronische Sounds wirkenden Klänge des Akkordeons untergemischt werden, bis diese eine markante, jedoch stets in feinem Mischverhältnis mit dem Klavier bleibende Eigendynamik gewinnen. Prägnant ist etwa auch der vierte Satz, Fall Time Blues, der stärker auf die Kontraste der beiden Instrumente setzt, wie auch das folgende Vertical. Während das Klavier ganz kurz artikulierte, harte Staccati spielen muss, haucht das Akkordeon lange Pianissimo-Töne im höchsten Diskant. In Vertical werden wiederum pianistische Prinzipien reizvoll auf das Akkordeon übertragen. Doch auch Fragments besitzt ganz stille Momente, wie etwa das nüchtern mit no title überschriebene Finale des Duos, in dem sich die beiden Instrumente wie schwerelos in verschiedenen Taktarten bewegen.
Ergänzt werden die beiden spannenden Akkordeonstücke durch das Klaviersolo Nach Bach, in das zahlreiche andere Hommagen etwa an Le Corbusier oder Brian Ferneyhough eingeschrieben sind. Mit Yumiko Meguri und Stefan Hussong besitzt diese in Japan aufgenommene CD sehr feinfühlige und klangorientierte Interpreten.
Reinhard Kager, Neue Zeitschrift für Musik 03/2015